Dr. Hartmut Nachtigall hat einen Blick fürs Wesentliche. Bei unserem Treffen auf der Jahnsportanlage in Jessen identifiziert er mich sofort als „Unioner“, also als Anhänger des Fußball-Bundesligisten 1. FC Union Berlin. In meiner Berlinzeit habe ich mein Herz an den Köpenicker Verein verloren. Der Vorsitzende des SV Allemannia 08 Jessen hat den Union-Aufkleber an meinem Auto gesehen und nutzt das für einen Veranstaltungshinweis: „Die Traditionself des 1. FC Union Berlin kommt am 6. August zu uns.“ „Wenn es klappt!“ ergänzt die Leitern des Fußballnachwuchses Jana Kilian.
Herkulesaufgaben nicht nur in der Pandemie
Dafür kann man den Allemannen nur die Daumen drücken. Der Sportplatz hinter der gefühlt kilometerlangen Hecke ist (von der Stadt Jessen) gepflegt und eine überdachte Tribüne für Fußballfans, wie es sie hier gibt, sucht man z.B. in Wittenberg vergebens. Von 500 zahlenden Gästen beim letzten Lokalderby kann Dr. Nachtigall berichten. Ebenso viele Mitglieder hat der Verein, 2/3 davon Kinder und Jugendliche. Es ist eine Herkulesaufgabe für alle Trainingsgruppen Übungsleiterinnen und Übungsleiter zu finden, aber bisher ist es immer wieder gelungen.
„Wie gehen Sie mit der Pandemie um?“ frage ich. „Haben Sie den Artikel nicht gelesen?“ antwortet der Vorsitzende. Die Mitteldeutsche Zeitung hatte im Jessener Teil ausführlich über Challenges, Online-Training und Passtraining berichtet. Im Wittenberger Teil, den ich bekomme, sollte der Artikel erst 5 Tage nach unserem Gespräch erscheinen. Es ist eine Mischung aus Ausreizen der verbleibenden Möglichkeiten und hoffnungsvollem Warten. „Wir würden uns freuen, wenn der Sport im Außenbereich weiter möglich sein würde.“ sagt Jana Kilian mit Blick auf die laufende Gesetzgebung des Bundes. Noch am gleichen Abend meldet die SPD-Bundestagsfraktion, sich dafür einzusetzen, Außensport von der Notbremse auszunehmen.
Hoffnung, Busse und Kunstrasen
Der Einzugsbereich der imposanten Sportanlage mit Nähe zum Gymnasium ist groß. Frau Kilian erinnert an die flexiblen Möglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs, die es vor Jahren mal gab, um die Sportlerinnen und Sportler nach dem Training nach Hause zu bringen. Sie mussten aus wettbewerbsrechtlichen Gründen eingestellt werden. Ich denke, da müssen wir nochmal einen neuen Anlauf nehmen. Nochmal schauen, was rechtlich möglich ist. Bürgerbusse zum Beispiel oder Ähnliches.
Wir sind am hinteren Ende der Sportanlage angekommen. Wie so oft in meinem Wahlkampf zieht der kalte Wind in den Nacken, woran ihn hier auf den Trainingsplätzen auch nichts hindert. Wie zum Trotz tauscht ein Bagger den Sand auf dem Beachvolleyballfeld aus – in der Hoffnung auf besseres Wetter und eine entspanntere pandemische Lage. Neunzehnhundertacht lässt sich nicht unterkriegen. Im Gegenteil: sie machen Pläne für die Zukunft. Ein Kunstrasenplatz soll her, um witterungsunabhängiger trainieren zu können. Er würde die Anlage und den Sport in Jessen noch attraktiver machen.